Maximale Vermasselung bei der Netbank — Finger weg!

Seit einigen Monaten habe ich ein Geschäftskonto bei der Netbank. Es fing schon merkwürdig an: Das Datum, an dem ich mein Gewerbe angemeldet habe, wurde als Geburtsdatum ins System eingetragen. Darum war ich für das System noch minderjährig und konnte mit meinem neuen Konto erst einmal nicht viel anfangen. Erst nach längerem Nachfragen wurde mir mitgeteilt, dass ich andere Zugangsdaten benutzen muss als die, die mir gegeben wurden. Mit den neuen Zugangsdaten funktionierte das Banking dann.

Ein Grund, warum ich mich für die Netbank entschieden hatte, war die Möglichkeit der Einlösung von Schecks (bei manch anderer reiner Online-Bank geht das nicht). Doch als ich von dieser Möglichkeit erstmals Gebrauch machte, wurde ich gleich böse überrascht: Bei einem US-Scheck über umgerechnet knapp 430 € fielen saftige Gebühren von 62 € an, die sich anhand des Preisverzeichnisses nicht nachvollziehen ließen. Bei meiner Raiffeisenbank ist das wesentlich günstiger, da bezahle ich für die gleichen Schecks 12,50 €. Also war dieses „Feature“ schon mal für die Tonne.

Apropos „für die Tonne“: Die Online-Banking-Oberfläche der Netbank war bis vor Kurzem noch unglaublich hässlich. Sie schien (ohne Witz) für eine feste Bildschirmauflösung von 800×600 Pixel ausgelegt zu sein, und dementsprechend erinnerte auch das Bedienkonzept an eine Website aus den Neunzigern. Der Funktionsumfang ließ ebenfalls zu wünschen übrig, z. B. konnte man keine angekündigten SEPA-Lastschriften anzeigen (das geht auch jetzt noch nicht). Das Online-Banking-Interface war zwar schlecht — richtig schlecht — aber immerhin funktionierte es, und es gab auch sonst keine Probleme.

Vor ungefähr einem Monat bekam ich per Post eine protzige Hochglanz-A4-Mappe von der Netbank geschickt, in der eine neue Online-Banking-Oberfläche angekündigt wurde. Die abgedruckten Screenshots der neuen Oberfläche weckten Vorfreude in mir. Würde nun alles besser werden? Davon ging ich aus. Die neuen Zugangsdaten bekam ich etwas später ebenfalls per Post geschickt (da hatte ich Glück, wie sich später herausstellen sollte).

Am 9. Oktober loggte ich mich erstmals in die neue Online-Banking-Oberfläche ein. Mit den neuen Zugangsdaten war das kein Problem. Das neue Design ist modern und responsive — so, wie man es im Jahr 2017 erwarten würde. Es fehlten zwar noch einige Funktionen, aber die sollten später freigeschaltet werden. OK, damit hätte ich leben können.

Als ich jedoch zum ersten Mal nach der Umstellung in meiner Buchhaltungssoftware meine Kontoumsätze via HBCI/FinTS abrufen wollte, kam eine böse Überraschung: Die HBCI/FinTS-Implementierung wurde scheinbar ebenfalls ersetzt, und zwar durch eine maximal Unbrauchbare. Es fehlen wichtige Felder wie Sender/Empfänger der Zahlung, Teile des Verwendungszwecks sowie eine eindeutige ID für jede Transkation. Insbesondere Letztere ist nötig, um Duplikate zu erkennen. Ohne diese eindeutige ID werden dieselben Transaktionen bei jedem Abruf immer wieder als neue Transaktionen erkannt und erscheinen doppelt, dreifach, vierfach, …, in der Banking-Software.

Schnell fand ich im Internet weitere Kunden, die von diesem und ähnlichen Problemen berichteten. Noch weitaus schlimmer als die nicht funktionierende HBCI/FinTS-Implementierung ist jedoch, dass seit der Umstellung keine SEPA-Lastschriften mehr funktionieren (kann ich selbst bezeugen). Wenn also beispielsweise das Finanzamt die Umsatzsteuer vom Konto abbuchen möchte, dann schlägt das fehl, und man hat Ärger am Hals. Auch eingehende Zahlungen funktionieren nicht mehr. Viele Kunden dürfen sich darum mit fehlgeschlagenen Transkationen und eventuell anfallenden Gebühren herumärgern. Besonders hart trifft es Online-Händler, die mit PayPal arbeiten, denn der Netbank-Server gibt dem PayPal-Server die Auskunft, dass das Konto geschlossen wurde, woraufhin es aus dem PayPal-Konto entfernt wird. Dabei gehöre ich wohl noch zu den Glücklicheren, denn ich habe zumindest meine neuen Zugangsdaten per Post erhalten. Viele Kunden berichten, dass sie ihre Zugangsdaten nie erhalten haben. Die Service-Hotline ist wohl völlig überlastet — wenn man es überhaupt in die Warteschleife schafft, dann darf man dort über eine Stunde verharren.

Was die Netbank verschwiegen hatte: Scheinbar wurde nicht nur die Online-Banking-Oberfläche ausgetauscht, sondern ein Großteil der IT-Infrastruktur der Bank. Zu allem Überfluss wurde auch noch die BIC geändert. Letzteres wurde aber kaum irgendwo erwähnt, und die neue BIC scheint sich noch nicht „herumgesprochen“ zu haben, denn in vielen Fällen wird sie zurückgewiesen.

Neben den massiven technischen Problemen finde ich eines aber noch viel schlimmer: Bis jetzt (11. Oktober, 09:30 Uhr) gibt es weder auf der Netbank-Website noch auf Facebook eine offizielle Stellungnahme — und das, obwohl die Bank seit mehreren Tagen von den Problemen weiß. Schlechter geht es wohl kaum! Eine einfache Meldung würde doch schon ausreichen, um den Kunden die Gewissheit zu geben, dass an der Lösung der Probleme gearbeitet wird. Das würde auch den Druck auf die Hotline reduzieren. Lustigerweise klettert der „Gefällt mir“-Zähler der Netbank auf Facebook stetig weiter — alles klar!

Zusammenfassung des Netbank-Desasters:

  • Online-Banking-Oberfläche umgestellt, aber vielen Kunden ihre neuen Zugangsdaten nicht mitgeteilt
  • HBCI/FinTS funktioniert nicht mehr richtig, was es unmöglich macht, das Konto aus einer Software heraus zu verwenden
  • BIC geändert, ohne ordentlich darauf hinzuweisen und sie auf korrekte Weise publik zu machen, wodurch sie von anderen Systemen nicht akzeptiert wird
  • SEPA-Lastschriften werden zurückgebucht, wodurch (Mahn-)Gebühren und Zinsforderungen entstehen
  • Eingehende Zahlungen funktionieren nicht mehr
  • Service-Hotline völlig überlastet
  • Seit Tagen keine einzige Stellungnahme der Bank

Die Umstellung bei der Netbank wurde jedenfalls massiv vermasselt. Es muss ein absoluter Albtraum für diejenigen sein, die das zu verantworten haben, und auch für diejenigen, die es ausbaden dürfen (Kunden und Kundendienst). Der Schaden für die Bank dürfte groß sein, denn nun werden viele Kunden abwandern. Ich bin einer davon.

Fazit: Finger weg von der Netbank! Wer so laienhaft arbeitet und sich so wenig um seine Kunden schert, der hat absolut kein Vertrauen verdient.

Nachtrag (13. Oktober 2017): Mittlerweile gibt es zumindest eine (wenn auch gut versteckte) Stellungnahme der Netbank. Dort werden die Probleme aber heruntergespielt, und vom nicht mehr brauchbaren HBCI/FinTS ist keine Rede. Die Netbank will jedem Kunden pauschal 5 € pro fehlgeschlagener Lastschrift gutschreiben. Das reicht aber nicht, um gewöhnliche Strafgebühren abzudecken. Der Kundendienst ist weiterhin nicht erreichbar. Mittlerweile habe ich ein Konto bei der Fidor Bank eröffnet. Leider musste ich feststellen, dass dort gar kein HBCI/FinTS angeboten wird, sondern lediglich eine API, die aber von kaum einer Software unterstützt wird. Mein Fehler, dass ich davon ausging, dass eine Bank, die ein Geschäftskonto anbietet, auch HBCI/FinTS anbietet.

Nachtrag (10. Mai 2019): Tja, ich bin immer noch bei der Netbank, und ich muss sagen, dass ich mittlerweile gar keinen Grund mehr habe mich zu beschweren. Es gab nie mehr Probleme mit Zahlungen, die Gebühren bei eingehenden Zahlungen in Fremdwährungen sind akzeptabel, und das Interface funktioniert so, wie es soll.

2 Gedanken zu „Maximale Vermasselung bei der Netbank — Finger weg!

  1. Rye

    Hmm..
    Also was hat sich zum -sehr arg klingenden- Anfang geändert ?

    Wie siehts mit Kontoführungsgebühren.

    (Das wohl ne Onlinebank is, wird man wohl kein Geldautomaten dazu finden…)

    – Rye

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